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Kunst Literatur

Aus dem Exil (2)

Das Gesetz von Angebot und Nachfrage hatte ihm selbst vor einem knappen Monat plötzlichen Reichtum beschert, der ihn wie ein Funkenregen eingehüllt und vom finanziellen Joch befreit hatte, und auf einmal wurde ihm klar, dass er diese Welt nun verlassen würde, in der er sich nie wirklich zu Hause gefühlt hatte. Seine an sich schon nicht mehr zahlreichen menschlichen Beziehungen würden eine nach der anderen einschlafen, abbrechen, und dann würde sich für ihn das Leben so ähnlich gestalten wie hier in dieser perfekt verarbeiteten Fahrgastzelle seines Audi Allroad A6: friedlich, freudlos und endgültig neutral.

Karte und Gebiet, Michel Houllebecq

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Kunst Literatur

Aus dem Exil (1)

… sollte Jed mehrfach die Frage gestellt werden, was es in seinen Augen bedeute, Künstler zu sein. Er fand darauf weder eine interessante noch eine originelle Antwort, bis auf eine Sache, die er infolgedessen bei fast jedem Interview wiederholte: Künstler zu sein bedeutet in seinen Augen, sich zu unterwerfen. Sich rätselhaften, unvorhersehbaren Botschaften zu unterwerfen, die man in Ermangelung eines besseren Begriffs und ohne jeden religiösen Glauben als Intuitionen bezeichnen müsse. Botschaften, die sich dem Künstler trotzdem auf kategorische Weise aufdrängen, ohne ihm die geringste Möglichkeit zu lassen, sich ihnen zu entziehen – außer wenn er auf jegliche Form von Integrität und Selbstachtung verzichtet.

Karte und Gebiet, Michel Houllebecq

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Hätten sie es gewusst? ich weiss nix Literatur Politik

„ich bin ein Reiseführer in die Geschichte“

Eric Hobsbawm über seine Autobiographie Interesting Times. A Twentieth-Century Life bei einestages:

einestages: Professor Hobsbawm, Sie wurden 1917 geboren und haben mit Ihrem Leben fast das ganze, verrückte 20. Jahrhundert begleitet. Historiker ihres Alters, haben Sie einmal gesagt, seien Führer in die Vergangenheit. Stellt diese Doppelrolle von Zeitzeuge und Wissenschaftler nicht ein Problem dar, wenn es um die notwendige Distanz geht?

Hobsbawm: Nun ja, es sind eigentlich zwei verschiedene Rollen. Als Zeitzeugen können wir den Leuten erklären, wie es damals ausgesehen hat. Die meisten Menschen in England, zum Beispiel, können sich heute einfach nicht mehr vorstellen, wie das Leben hier noch bis in die fünfziger Jahre war. Etwa, dass die Nationalhymne offiziell nach jeder Kinovorstellung gespielt wurde und die Leute aufgestanden sind. Was? In diesem Sinne kann man den Menschen sagen, ich bin ein Reiseführer in die Geschichte, in ein anderes Land, in dem die Dinge anders gemacht wurden als hier und heute. Andererseits ist es nicht nur möglich, sondern auch notwendig für einen Historiker, diese Erlebnisse zu verarbeiten. Jedenfalls zu dem Zeitpunkt, zu dem er oder sie schreibt. Beim Schreiben meiner Autobiographie „Gefährliche Zeiten“ habe ich sehr viel Vergangenheit sozusagen neu analysieren müssen. Das kann man nie ganz unbefangen tun. Als Historiker hat man Regeln, die es einem ermöglichen, gewissen Dingen mehr oder weniger Gewicht zu geben und eine bestimmte Perspektive auf die Vergangenheit zu haben.

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Hätten sie es gewusst? ich weiss nix Literatur

Der Scarabeus und der Sinn des Lebens

‚Sollte denn auch in der Verwaltung von etwas Kot sein Leben beschlossen sein? Oder selbst darin, daß er neue Geschlechter zeugt, die dem Geschäft obliegen? Das kann nicht sein, schon seine äußere Bildung ist dafür zu reich, zu wunderbar. Und gar der Ernst, mit dem er ans Werk geht, verrät ein Wissen vor jeder Wissenschaft.‘
E. Jünger, Subtile Jagden

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Hätten sie es gewusst? ich weiss nix Literatur

„Das Publikum klatscht doch nicht, weil ein Lied besonders gut ist, sondern weil es ein Lied bereits kennt. Es beklatscht sein eigenes Gedächtnis“ Max Goldt

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Hätten sie es gewusst? ich weiss nix Literatur

Zweifall

„Wer einmal zweifelte, der muß tüchtig weiter zweifeln, wenn er nicht verzweifeln will. Ob jemand im Unendlichen eine Zahl oder ein Zeichen zu erblicken vermag – diese Frage ist der einzige und letzte Prüfstein, an dem sich die Art eines Geistes beantwortet. Aber für jeden ist die Position eine andere, die er gewinnen muss, um zur Entscheidung fähig zu sein. Glücklich ist die Einfalt, die die gegabelten Wege des Zweifalls nicht kennt, doch ein wilderes und männlicheres Glück blüht am Rande der Abgründe.“

E. Jünger, Sizilischer Brief

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Literatur

Der Koloß von Maroussi

Wir bewegen uns in einer mechanischen Zeit zwischen den Trümmern untergegangener Welten, erfinden die Instrumente unserer eigenen Vernichtung, vergessen Verhängnis und Schicksal, kennen keinen Moment des Friedens, besitzen nicht den geringsten Glauben, sind eine Beute des finstersten Aberglaubens, funktionieren weder im Körper noch im Geist und handeln nicht als Individuen, sondern als Mikroben in einem Kranken Organismus.

Henry Miller, Der Koloß von Maroussi, ca. 1939.

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Literatur

Illusorische Welt der Wirklichkeit

„Im Nu ist man von der illusorischen Welt der Wirklichkeit geschieden, mit jedem Schritt stellt man sich erneut auf den Carrefour dieser konzentrischen Ausstrahlungen, die der wahre Kern einer alles Umfassenden und alles durchdringenden Wirklichkeit sind. Der Tod hat keine Bedeutung. Alles ist im Wandel, Schwingungen, Schöpfung und Umschaffung. Das Lied der Welt, das sich in jedem Teilchen dieser – Materie genannten – trügerischen Substanz ausdrückt, teilt sich in einer unbeschreiblichen Harmonie mit, die das engelhafte Wesen durchsickert, das in der Hülle des – Mensch genannten – körperlichen Wesen schläft. Sobald der Engel die Herrschaft ergreift, blüht das körperliche Wesen. In allen Bereichen geht ein stilles, stetes Blühen vor sich.“

H. Miller

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Literatur

Interview mit Karl Ignaz Hennetmair über Thomas Bernard

„Schauen Sie, der Thomas hat die sogenannten Intellektuellen wegen ihres affektierten Auftretens gehasst. Die Landbewohner wiederum verachtete er wegen ihres Stumpfsinns. Ich hingegen war weder das eine noch das andere. Als früherer Ferkelhändler und später dann als Realitätenvermittler stand ich irgendwie dazwischen. Ich glaube, er hat schlicht und einfach meine ehrliche, unverstellte Art gemocht, die in seinem Milieu, dem Kunstbetrieb, nicht existierte.“

Cicero

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Literatur

Zum 80sten

Warum sitzen Sie den ganzen Tag im Kaffeehaus? Zu Hause lauert der Tod! (Thomas Bernard)

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Literatur musik Paris Sprache

interview

…Ich schreibe nicht für jemanden. Das ist das Letzte, wenn man sich dazu entwürdigt!…Wenn Sie sich darum kümmern, was sie(die Leute) denken, haben Sie es mit Lesern zu tun, mit dem Leser, das sagt schon alles!…Nein kein Bedarf, er liest, um so besser, wenn es ihn nicht gefällt, was soll’s? …Wenn mir Ihre Zeitung eine lebenslängliche Leibrente von 1000 Francs monatlich aussetzt, verzichte ich auf alles, ja, ich verbiete, daß man mich druckt, mit Vergnügen, mit Freuden!…Ja, das kotzt mich auch an!…In „Voyage“ bringe ich der Literatur noch gewisse Opfer, der gehobenen Literatur. Man findet noch schön gebaute Sätze…Meine Meinung nach ist das vom technischen Standpunkt aus veraltet…Ich wurde in Abenteuer verwickelt…Wie die Journalisten. Wir sind alle Journalisten. Ohne zu wissen, was wir erleben…Der Typ…dem…eine Bombe auf die Schnauze fällt, merkt gezwungenermaßen, daß etwas passiert, er schreibt an seine Zeitung!…Vor kurzem kam ein Typ daher, der sagte, ich hätte Komplexe…Nein! Alle anderen haben Komplexe für mich…

Madeleine Chapsal,( „Französische Schriftsteller intim“, Matthes&Seitz) im Gespräch mit Ferdinand Celine im Juni 1957 im Garten seines Hauses in Meudon.

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Lebensweisheiten Literatur

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ICH HÖRE GERNE MEINEN HAUHALTSGERÄTEN ZU

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Hätten sie es gewusst? ich weiss nix Literatur

Neue Sicht der Dinge

„Dieses neue Gefühl hat mich nicht plötzlich umgewandelt, beseligt, erleuchtet, wie ich das in meinen Träumereien erhofft hatte; es ist damit geradeso gegangen wie mit meinem Gefühle für meinen Sohn. Es ist auch nicht wie eine Überraschung über mich gekommen. Sondern dieses Gefühl (ob man es nun Glauben nennen will oder nicht; ich weiß nicht, was es eigentlich ist), dieses Gefühl ist ebenso unmerklich wie jenes unter Leiden in meine Seele eingezogen und hat dort seinen festen, dauernden Wohnsitz genommen.

Ich werde mich auch in Zukunft ebenso wie bisher über den Kutscher Iwan ärgern; ich werde mich ebenso streiten und zur Unzeit meine Gedanken aussprechen; es wird ebenso eine Scheidewand zwischen dem Allerheiligsten meiner Seele und anderen Menschen, selbst meiner Frau, bestehen bleiben; ich werde ihr ebenso für meine eigene Angst Vorwürfe machen und dies dann bereuen; ich werde ebensowenig mit dem Verstand begreifen, warum ich bete, und werde trotzdem beten. Aber mein Leben, mein ganzes Leben, wie auch immer es sich äußerlich gestalten mag, jeder Augenblick meines Lebens wird jetzt nicht zwecklos sein wie bisher, sondern zu seinem alleinigen, bestimmten Zweck das Gute haben. Denn das liegt jetzt in meiner Macht: meinem Leben die Richtung auf das Gute zu geben!“
(Konstantin Dmitrijewitsch Ljewin über seine neue Sicht der Dinge)(Quelle)

PS: Es gibt bessere Übersetzungen!

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Hätten sie es gewusst? Literatur

Himmel über Lewin?

„Weiß ich nicht, daß dies ein unendlicher Raum ist und nicht ein rundes Gewölbe? Und wie ich auch meine Augen zukneifen und die Sehkraft anstrengen mag, ich kann ihn nicht anders als rund und begrenzt ansehen; und trotz meiner Erkenntnis des unendlichen Raumes habe ich unzweifelhaft recht, wenn ich mir sage, das ich ein festes, blaues Gewölbe über mir sehe, und bin damit mehr im Recht, als wenn ich mich anstrenge, darüber hinauszusehen …“ (Konstantin Dmitrijewitsch Ljewin in den Himmel schauend)

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Hätten sie es gewusst? Lebensweisheiten Literatur

Ruderboot

Auf jedem Schritt machte er die Erfahrung, die ein Mensch macht, der an dem Anblick eines auf glatter Wasserfläche leicht hingleitenden Bootes seine Freude hatte und dann selbst in diesem Boote fahren soll. Er sieht nun, daß es nicht nur darauf ankommt, ruhig zu sitzen und nicht zu schaukeln, sondern, daß er auch die Fahrtrichtung nicht einen Augenblick aus den Augen noch die Ruder aus den Händen lassen darf, daß die ungewohnten Arme leicht ermüden und, so leicht die Sache vom Ufer sich ansieht, sie doch, bei aller Annehmlichkeit, in Wirklichkeit recht schwer ist. (Anna Karenina, Leo Tolstoi)

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Literatur Podpoem

alte Zettel(8)

Muttermilchkäse
Zielkonsens
„Gut zu wissen, daß alles besser wird.“ (Glückskeks)

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Lebensweisheiten Literatur Podpoem

Zettel, gefunden (3)

demokratie
chemokratie
hitler geht immer
salon zur wilden renate (brücke strahlauer str.)(?)
(auch schon ein paar jährchen zurück)

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Literatur

Celine

Celine

… ein Komma … man darf den Korrektoren nicht trauen, sie haben ja den gesunden Menschenverstand
und der ist der Tod des Rhythmus!

Illu

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Literatur

Leben mit Hitler

Görtemaker: In der NS-Propaganda hieß es, Hitler sei mit Deutschland verheiratet. Den Ausschlag gab jedoch wohl etwas anderes: Hitler fürchtete die Macht einer Ehefrau, er hatte Angst davor, persönlich angreifbar zu werden. Er hielt sich ja alle vom Leib – sogar seine wenigen Familienangehörigen. Eva Braun lebte zwar mit Hitler, aber eben nicht als legitime Partnerin, die Druck auf ihn ausüben hätte können.

sueddeutsche – “Eva Braun hatte fast Narrenfreiheit“ Interview mit Heike B. Görtemaker über ihr Buch „Eva Braun – Leben mit Hitler“

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Literatur

An Anne Geddes Baby Grows Up.

„Excuse me? She „just loves children?“ Don’t you defend her—she routinely stuffs babies into flowerpots. That’s not love.“
Timothy Mc Sweeney, Short Imagined Monologues

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Literatur

Neukölln in den 70ern

Am Asia-Snack spielen fünfzehnjährige Mädchen mit Amy-Winehouse-Frisuren an ihren Handys. „Das hätte es früher nicht gegeben“, stellen wir fest, „und S-Bahn fahren war damals auch nicht üblich!“ Dafür konnte in der U-Bahn selbstverständlich geraucht werden, erinnert sich Pyka, als wir in die Braunschweiger Straße einbiegen, wo er 1973, siebzehnjährig, seine erste Wohnung bezog. Er kam aus der Gegend um Salzgitter. „Das pure Grauen der Sechziger“, fasst er zusammen, „Betonstraßen mit Teernähten, Peitschenlampen, Kartonhäuser, gespenstische Leere. Als ich endlich in Neukölln wohnte, kam ich mir vor wie in New York.“

der tagesspiegel über Hans-Gerd Pykas Neukölln-Roman „Königswasser“, via diskurs.tumblr

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Berlin Literatur

Cees Nooteboom: „Berlin 1989/2009 “

Als Außenstehender und anteilnehmender Augenzeuge zugleich erlebt Cees Nooteboom das Jahr 1989 in Berlin. Seinen Bericht Berliner Notizen über diese Zeit, in der aus zwei deutschen Staaten einer wurde, rühmt Die Zeit als einen »schön erbarmungslosen Spiegel Deutschlands«. Ende der Neunziger besucht der Autor erneut die nun nicht mehr geteilte Stadt. Und zehn Jahre später inspiziert er die Berliner Verhältnisse ein weiteres Mal.

Gregor Gysi und Cees Nooteboom im Gespräch, 15.11., 11 Uhr im Deutschen Theater, Berlin

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Literatur

The Humbling

Huffington Post, Philip Roth’s The Humbling Is, At 140 Pages, His Best Book In Years

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Literatur

His Pynchon’s voice (oder auch nicht)

Penguin Books hat natürlich nicht verraten, ob der Mann mit der Tüte auf dem Kopf hier selbst aus seinem neuen Buch vorliest. Wie auch immer, schön ist vorallem die Preisansage am Ende:

„27, 95$. Twenty-seven ninety five?! Really? That used to be like three weeks of groceries, man!“

Zeigt auf jedenfall, dass man als Verlag nicht unbedingt Banner an lebende Fliegen kleben muss, um Bücher clever zu vermarkten… Auch prima, dass es zu jedem seiner Romane ein eigenes wiki gibt – für „Inherent Vice“ sogar mit Playlist der darin erwähnten Songs. Da verzichte ich doch gerne auf das bisschen Gemüse!

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Literatur

Österreichismen

Der Haas natürlich wie immer:
Aber nicht, dass du jetzt wieder glaubst,
ja was glaubst du denn.
Aber jetzt pass auf.
Stell dir vor, was passiert ist:
Jetzt hat doch der Wolf Haas doch schon wieder einen Roman geschrieben

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Literatur Medien Visuelle Kommunikation

Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde

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Dass es immer noch Orte gibt, die schwer zu erreichen sind, erscheint uns heute nicht mehr vorstellbar. Judith Schalansky aber hat sie gesammelt: fünfzig entlegene Inseln in den Ozeanen der Welt.

via

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Kunst Literatur Weltverbesserung

L’art pour l’art

bedeutet für eine Generation die Unabhängigkeit der Kunst , für eine andere die Unabhängigkeit des Künstlers.
Die ersten verteidigen eine ästhetisch exakte These, die zweiten verbreiteten eine ethisch irrige Theorie.
(Gomez Davila, „Scholien…“)

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Literatur Paris

bernd mattheus

wenn einer in ’seinem‘ TOD die einzige und letzte chance sieht, menschliche würde zu beweisen, dann ist der verdammt allein, absolut allein.

bernd mattheus, 26.6.09, 8.30 +, Kassel

(‚heftige stille‘, München, ’86)

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Literatur

Zettel

Zettel des Tages

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Allgemein Film Lebensweisheiten Literatur Politik Weltverbesserung

mein kampf
With the exception of actual hostile elements there are no negative people in socialist society who find fault with Party policy or oppose it, nor could such people exist.