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Hätten sie es gewusst? ich weiss nix Literatur Politik

„ich bin ein Reiseführer in die Geschichte“

Eric Hobsbawm über seine Autobiographie Interesting Times. A Twentieth-Century Life bei einestages:

einestages: Professor Hobsbawm, Sie wurden 1917 geboren und haben mit Ihrem Leben fast das ganze, verrückte 20. Jahrhundert begleitet. Historiker ihres Alters, haben Sie einmal gesagt, seien Führer in die Vergangenheit. Stellt diese Doppelrolle von Zeitzeuge und Wissenschaftler nicht ein Problem dar, wenn es um die notwendige Distanz geht?

Hobsbawm: Nun ja, es sind eigentlich zwei verschiedene Rollen. Als Zeitzeugen können wir den Leuten erklären, wie es damals ausgesehen hat. Die meisten Menschen in England, zum Beispiel, können sich heute einfach nicht mehr vorstellen, wie das Leben hier noch bis in die fünfziger Jahre war. Etwa, dass die Nationalhymne offiziell nach jeder Kinovorstellung gespielt wurde und die Leute aufgestanden sind. Was? In diesem Sinne kann man den Menschen sagen, ich bin ein Reiseführer in die Geschichte, in ein anderes Land, in dem die Dinge anders gemacht wurden als hier und heute. Andererseits ist es nicht nur möglich, sondern auch notwendig für einen Historiker, diese Erlebnisse zu verarbeiten. Jedenfalls zu dem Zeitpunkt, zu dem er oder sie schreibt. Beim Schreiben meiner Autobiographie „Gefährliche Zeiten“ habe ich sehr viel Vergangenheit sozusagen neu analysieren müssen. Das kann man nie ganz unbefangen tun. Als Historiker hat man Regeln, die es einem ermöglichen, gewissen Dingen mehr oder weniger Gewicht zu geben und eine bestimmte Perspektive auf die Vergangenheit zu haben.