Wenn es aber einen Zustand gibt, in welchem die Seele eine hinreichende Grundlage findet, um sich dort ganz und gar auszuruhen und ihr ganzes Wesen darin zu sammeln, ohne sich an das Vergangene erinnern oder sich das Zukünftige herbeiwünschen zu müssen; einen Zustand, in welchem die Zeit nichts für sie ist, das Gegenwärtige immer andauert, ohne doch seine Dauer und irgendeine Spur seiner Abfolge merken zu lassen, ohne irgendeine andere Empfindung von Verlust oder Genuß, von Freude oder Schmerz, Verlangen oder Furcht als allein diejenige unserer Existenz; und wenn einzig diese Empfindung sie ganz erfüllte – so kann derjenige, welcher sich in diesem Zustand befindet, sich glücklich nennen; und sein Glück ist nicht unvollkom-men, arm und nur bedingt, wie jenes, das man in den Freuden des Lebens findet, sondern es ist ausreichend, vollkommen und erfüllt und hinterläßt keine Leere in der Seele, die diese auszufüllen wünschte. In einem solchen Zustand befand ich mich auf der Petersinsel oft während meiner einsamen Träumereien, wenn ich entweder in meinem Nachen lag, den ich in der Strömung treiben ließ, oder am Ufer des stürmischen Sees saß oder anderswo am Ufer eines schönen Flusses oder eines Baches, der murmelnd über den Kies dahinfloß.
Rousseau, 5. Spaziergang.