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Eudämonologie

Auf der Bühne spielt einer den Fürsten, ein anderer den Rat, ein Dritter den Diener, oder den Soldaten, oder den General und so weiter. Aber diese Unterschiede sind bloß im äußeren vorhanden, im innern, als Kern einer solchen Erscheinung, steckt bei allen dasselbe: ein armer Komödiant mit seiner Klage und Not. Im Leben ist es auch so. Die Unterschiede des Ranges und des Reichtums geben jedem seine Rolle zu spielen, aber keineswegs entspricht dieser eine innere Verschiedenheit des Glücksunbehagens, sondern auch hier steckt in jedem der selbe arme Tropf mit seiner Not und Plage, die wohl dem Stoffe nach bei jedem eine andere ist, aber der Form, d. h. dem eigentlichen Wesen nach so ziemlich bei allen dieselbe, wenn auch mit Unterschieden des Grades, die sich aber keineswegs nach Stand und Reichtum, d. h. nach der Rolle richten.

Schopenhauer, Aphorismen zur Lebensweisheit, Grundeinteilung