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documenta kassel

Gerechtigkeitsmaschine Documenta

Kunst als Gerechtigkeitsmaschine. Wer wissen möchte, was heute so in der Gegenwartskunst passiert, was die neuen Formen der Wahrnehmung sind oder sein könnten, der ist hier falsch. Diese Fragen werden nicht mehr auf der Documenta verhandelt, sondern auf manchen Biennalen und in Museumsausstellungen, die einen weniger riesigen moralischen Auftrag vor sich hertragen. Das vielzitierte Superkunstjahr 2017 ist das Krisenjahr der Großausstellung geworden. Auf der Website der Kunstzeitschrift „Frieze“ schrieb die Kunsthistorikerin Susanne von Falkenhausen kürzlich über den politischen Legitimationszwang der Großausstellungen. Bezugspunkt sind die anderen, ist das Jenseits des vornehmlich westlich-weißen, ökonomisch gesicherten Bürgertums, dem auch die Kuratoren entstammen und die allermeisten Besucher.
Wer aber, argumentiert von Falkenhausen dort mit Hal Foster, im ethnographisch identifizierten Feld des „Anderen“ den Hauptsammelpunkt aller gegen die dominante Kultur gerichteten Kräfte sieht, der geht sich selbst auf den postkolonialen Leim und exotisiert dieses Andere. Die politische scheinbar eher indifferente, auf Lebenswelt von weißen Mittelschichtskindern abzielende 9. Berlin Biennale mit ihrer avancierten Prosumer-Ästhetik und ihren neuen, technologiegetriebenen Formen erscheint der Professorin plötzlich als „realistischer als das, was wir heute sehen: eine Outsourcing politischer Schuld, spiritueller Sehnsucht und Kollektivität, die das Westlich-Nördliche Selbst plagen, an das (post-)koloniale Andere“.

Faz & Frieze