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Wenn die Gondeln Trauer tragen (1)

Venedig. Die Kloake Italiens. Stinkendes schwimmendes Disneyland für gealterte Bildungsbürger mit Reisezusatzversicherung incl. Krankenrücktransport. Sonnenbebrillte Zehnklässler aus ganz Italien und der Welt nehmen mit Fastfoodtüten den Markusplatz in Beschlag und Reisegruppenleiter stolpern mit hochgehaltenen Followmeanzeigern wie geköpfte Hähne durch die fettgefütterten Tauben.

Der Instinkt rät einem zur Flucht. Also ab auf das Vaporetto und zum Canal Grande (oh Gott), besser aufs offene Meer. Das macht Spaß, solang man Linien fährt, die sonst kein anderer Tourist nimmt (gibt es nicht), oder Zeiten bevorzugt, zu denen sogar der liebe Gott noch döst (der schläft bekanntlich nie). Also wohin nur? Denken hilft oft! Die schönste Möglichkeit wäre, sich einen PKW-Stellplatz im Parkhaus vor Venedig zu mieten (50€/Tag), ein Zelt aufzuschlagen und der Stadt beim langsamen sinken zu zusehen. Leider reicht mein Budget dafür nicht. Durch meine charmante in Venedig besuchte Begleitung, werde ich zum schönsten Fleck der Stadt gebracht. Zur Insel der Toten. Ja, eine eigene Insel nur für die Toten. Mit dem Boot zum Friedhof, so was find ich gut. Diese Ruhe wirkt wie Balsam für die gestresste Seele und lässt einen unwillkürlich den Gedanken fassen, ob alle Bewohner dieser Insel sterben mussten um zu leben.

Es gab noch mehr erhellende Momente und kluge Taten in dieser Stadt. Echte Lichtblicke waren Bilder von Picasso (The Poet) und Max Ernst (Attirement of the Bride & The Antipope) und wunderbare Skulpturen von Giacometti (Standing Woman (“Leoni”) & Piazza) in der Peggy Guggenheim Collection (Attenzione: Das Internationale Bildungsbürgertum verhält sich dort wie ein Rudel ausgehungerte Schweine, die sich auf Leichenreste stürzen). Klug ist es, sich mit einem Getränk Namens „S-priietz“ vollaufen zu lassen und den nächsten Tag erst dann zu beginnen, wenn die Bar nebenan wieder aufmacht.

Für die „gepeinigten“ Einheimischen gibt es nur eine Lösung: Sarkastischer Umgang mit der eigenen Lage (in Arroganz gekleidet) und die Verarschung der Touristen.

Zum Glück kommt ab und an mal eine frische Brise vom Meer rüber.

2 Antworten auf „Wenn die Gondeln Trauer tragen (1)“

Ja, die armen Venizianer! Wobei ich es doch immer recht nett fand, wenn man erstmal die unsichtbare Schwelle kurz hinter dem Markusplatz überschritten hat und auf dem Weg zur alten Werft feststellt das hier absolut nichts ist, was den schnöden Touristen interessiert.

Plötzlich steht man im Kleinstadtleben und entdeckt sogar den für viele italienische Städte typischen sozialen Wohnungsbau.
Hier kann man sogar noch an der ein oder anderen Ecke wunderbaren Kuchen bei „Mama“ essen und sich entspannen von völlig schwulstig angehauchten Reisenden, die nur hier sind WEIL DIE STADT JAAA SO ROMANTISCH IST!

Leider ist die Werft heute völlig unspektakulär und offenbart nichts mehr von ihrem vorindustriellen Charme, den sie wohl mal gehabt haben muss, als sie noch durch die „revolutionäre“ Fließbandfertigung die Grundlage für die venizianische Militärmacht bildete.

[ironie]Wahnsinn! Man grüßt mich im Radio![/ironie]

Danke für diese Ergänzung meines Beitrages. Du hast recht.
Ein paar andere verlassene Orte (ausser der Toteninsel) gibt es in Venedig auch noch. Aber sie sind echt selten.

Dich im Radio grüssen, wer macht den sowas? .)

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