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Weltverbesserung

generation sucks

Eigentlich wollte ich schon seit letzter Woche Montag drüber schreiben, aber man kommt ja zu nichts. Am Abend vorher war ich nämlich in einer Kneipe. Ach sag bloß, werdet ihr jetzt sagen, nee echt war so. Da ich mit einem Freund länger an der Theke verweilte, durften wir uns irgendwann ganz alleine mit der Thekenkraft unterhalten. Eine Frau im besten Alter, mit einem abgeschlossenem Studium und dem Willen, jetzt endlich mal auf eigenen Füßen zu stehen.

Kanpp dreißig ist sie, seit zwei Jahren mit dem Studium fertig und hat wirklich keinen Bock mehr in der Kneipe zu arbeiten. Ihre Fähigkeiten sind gut, flexibel und weitreichend, umziehen wäre auch kein Problem, aber alles überhalb eines Praktika ist nicht zu haben und davon hat sie verdammt die Schnauze voll, denn das macht sie schon zum Xten mal.

Zurzeit arbeitet sie bei einer kulturellen Organisation vierzig Stunden und mehr in der Woche. Weil der Druck unheimlich hoch ist, traut sie sich abends kaum den Saftladen zu verlassen. Das muss sie aber, denn nach mindestens acht Stunden geht’s noch schnell in die Kneipe, damit sie irgendwie ihre Miete und Essen bezahlen kann. Denn für ihr Praktikum bekommt sie im Monat 200 Euro.

Da fällt mir nur noch eins ein: Scheisse!

Jetzt sagt ihr natürlich, was regt der sich so auf. Das ist doch völlig normal heutzutage. Und vielleicht noch: Mach dich mal locker.

Da sag ich nur: Scheisse!

Was sind wir für eine Generation, die sich von älteren Generationen ausnehmen lässt, während wir nur Leben können, weil Mama und Papa (u.a. die gleiche Generation die uns ausnimmt) uns mit Almosen und Taschengeld über Wasser hält. Na ja, unsere Eltern sind ja nicht mehr nur unsere Eltern, sondern unsere Freunde und von Freunden kann man sich ruhig auch mal aushalten lassen, oder wie?

Gut vorstellen könnte ich mir den Betreiber einer Kino- und Kulturorganisation, so etwa 45 Jahre alt, finanziell gut gestellt, der seinem Praktikanten 200 Euro bezahlt und wenn er zu Hause von seinem Sohn angepumpt wird, dieser dann zu hören bekommt, er solle doch jetzt endlich mal auf eigenen Füßen stehen.

Eine Generation, die sich nicht selbst ernähren und somit nicht erhalten kann, verliert im Prinzip die Existenzberechtigung. Zum Glück haben wir ein subsoziales Netz von Eltern oder sogar Grosseltern auf deren Verdienste wir uns ganz cool ausruhen können. Was wären wir wohl ohne sie? Penner ist die richtige Formulierung, denn eigentlich lassen wir uns aushalten und ob das nun urban oder nicht urban geschieht, es handelt sich doch schlicht und ergreifend um Penner. Oder man hängt nach einem 8-10 Stundentag noch einen Thekendienst dran, was eher an ein Sklavendasein erinnert. Wir sorgen mit unseren ausgebildeten Fähigkeiten nicht für unseren Unterhalt, dazu sind wir anscheinend nicht selbstbewusst genug.

Ich gehöre selber zu der Generation Praktikum und ich weiß, dass die Planung der eigenen Zukunft immer schwieriger wird und es mühsam ist, langfristig eine berufliche Perspektive zu finden. Jedenfalls ist ein Job der ohne Bezahlung (oder fast ohne) angeboten wird, auch kurzfristig keine Lösung. Letztlich liegt es aber nur an uns selbst. Warum nehmen wir immer wieder solche Stellen an? Lasst sie doch die Praktika ausschreiben und anbieten. Solange keiner die Knechtschaft antritt, müssen sie ihren Scheiß halt selbst erledigen. Um das abzulehnen, reicht ein ‹Nein Danke, ich muss meinen Lebensunterhalt verdienen›. Jedenfalls verreckt keiner, wenn er so ein Praktikum nicht annimmt, denn davon kann man sowieso nicht leben. Die Aussichten auf Weiterbeschäftigung, oder nur Weiterbildung mit der immer geködert wird, hält sich meistens in Grenzen bzw. ist nicht selten der reinste Fopp.

Das ganze Thema wurde bei mir wieder durch eine weitergeleitete Mail von Hauke hochgeschaukelt, der sich seinerseits die letzten Tage über ein digitales Stellenangebot via öffentliche Mailingliste der Udk, Berlin mokiert hat. Da ich niemanden an einer großen Karriere hindern möchte, hänge ich die Stellenausschreibung an.

Hallo,

ab dem 01. November 2006 hat die Redaktion des DEUTSCH Magazines / ART BERLIN Verlag eine Praktikumsstelle im Bereich Grafik/Print zu vergeben.

Voraussetzungen:

– Dauer mindestens 3 Monate
– sicherer Umgang mit dem MAC und den gängigen Programmen (Quark, InDesign, Photoshop, Illustrator, Office)
– Erfahrungen im Printbereich / Erstellung druckfertiger Daten von Vorteil
– Motivation
– Fähigkeit schnell und sicher unter Termindruck zu arbeiten
– Freude am Gestalten und dem Entwerfen neuer Projekte
– Fähigkeit sich gut in ein junges, kreatives Team zu integrieren

Praktikumsdetails:

– grafische Bearbeitung & Betreuung verschiedener Projekte des ART BERLIN Verlags
– Erstellung von Flyern, Einladungen, Umsetzung von Konzepten …
– Mitarbeit am DEUTSCH Magazine
– Arbeitszeit Montag-Freitag 10-19h ( ist jedoch flexibel / individuell zu klären)
– keine Vergütung

Bei weiteren Fragen oder einfach direkt eine kurze PDF-Bewerbung mit Foto und einer Übersicht bisheriger Arbeiten/Projekte bitte an:

Vielen Dank für Interesse und Zusendung der Bewerbungen!

P.S. Die Zukunft unserer Generation sehe ich dann schon eher wie Holm Friebe und Sascha Lobo

Eine Antwort auf „generation sucks“

der lars hat absolut recht,

ich denke es ist vor allem eine frage von respekt vor dem arbeitsmarkt nach dem studium. da sollte man erstmal niedrig stapeln, denkt man sich. wertvolle chancen nutzen und geringe bezahlung in kauf nehmen.
„lässt man diese nur wegen dem geld sausen, hat man doch sofort ein schlechtes gewissen. alles mitnehmen was man kriegen kann.“ aber was ist wirklch wenn man solche ausbeutungen ausschlägt? dann findet sich auf jeden fall ein anderer dummer. hat man dann verloren?

ich kenne jemanden, der konnte mit dem was er drauf hatte wirklich überzeugen und sich eine verhandlung leisten. es ging auch um ein praktikum. am ende der einstellungsgespräche gabs glaub ich 300 euro allerdings für eine ausgehandelte anzahl von wochenstunden. am ende eigentlich ganz fair.

nur dem ersten angebot zu wiedersprechen kostet halt überwindung. denn, wie im beispiel der mail, kann es ja auch um eine namenhafte agentur gehen.

bei praktikas lässt sich nur bedingt eine gewinn-verlust-rechnung anstellen, aber mit den meisten ist man finanziell gesehen in der tat lediglich ein bisschen weniger arm. und auf welche in aussicht gestellte festanstellung kann man sich schon verlassen?

die stellenvergabe von art berlin ist eine absolute frechheit was die anforderungen und die 0-vergütung angeht. ok man hat bei was großem gearbeitet. na und? danach ist alles super, oder was?

stark bleiben,

flo

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